Als die Bilder singen lernten. Materialien zum 11. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 5. - 8. November 1998.

Filmmusik, wie die Schaffenden sie sehen.

Drei Kurz-Gespräche

in: Film-Kurier, 28.7.1931


Werner R. Heymann

Der "Schwere" dieser Zeit entsprechend nur lustige, vielleicht etwas wehmütige, aber keine ernste Musik, wie auch die Produktion sie heute nicht verwenden kann.

Aus dieser Linie ergibt sich das Schaffen des Musikers. Alte Musik will Heymann nur da verwendet sehen, wo die Handlung es unbedingt erfordert. Sonst aber, denn Handlungen, die nur alte Musik erfordern, sind relativ selten, fordert Heymann für die Filmmusik Neuschöpfungen, so viel, wie nur irgend möglich.

Die Neukomposition will Heymann ganz auf "süß, schön, wohlklingend", nicht auf das Groteske, noch viel weniger auf Jazz stellen.

Für die Masse der Aufgaben, so glaubt er, sind immer noch viel zu wenig gute Filmkomponisten vorhanden.

Der wirkliche Könner unter den Filmkoponisten, so formuliert es Heymann, wird immer zu tun haben. Für diesen Punkt ist die endliche Lösung des Tantiemestreites unbedingt erforderlich, damit die sinnlosen und die Produktion nur schädigenden Überbietungen endlich aufhören, die für den Produzenten viel teurer werden, als ein kleines Honorar und angemessene Gewinnbeteiligung. Geht die jetzige Preistreiberei weiter, so werden die Filmmusiken nur teurer und schlechter.

Karol Rathaus

Rathaus bedauert, daß von der Produktion aus dem Musiker nur die leichte Muse als Thema vorgeschrieben wird. Trotzdem aber glaubt er, daß auch bei leichten Stoffen in dem jeweils zu suchenden neuen Stil einer Filmkomposition neue, oft reizvolle Wege möglich sind.

Auch Rathaus will nur neue Kompositionen für jede Filmmusik verwendet haben, die Verwendung alter sei unmöglich, da man organisch zu einem alnderen Kunstwerk Gehörendes nicht willkürlich herausreißen und in ein anderes, neu zu schaffendes Kunstwerk hineingeben könne.

In seinen nächsten Arbeiten wird Rathaus einmal das satyrisch-Groteske (Granowsky-Film) und dann das Grotesk-Mondaine (Ozep-Film) betonen.

Die Art der Musiken wird sich vom Symphonischen als Linie entfernen, wird verschiedene Besetzungen aufweisen, vom nur ganz gelegentlich Symphonischen über die Kammermusik zum Jazz, den er unbedingt verwenden wird. Rathaus wird ein kleines Orchester zusammenstellen, dem alle Elemente angehören, vom Streicher bis zum vom Klavier begleiteten Xylophon. Es muß immer der Versuch bleiben, es neu und anders zu machen.

Eine Linie der Entwicklung der Filmmusik sieht Rathaus mehr vom Aesthetischen her, indem die Filmmusik zum Integralbestandteil eines Films wird, dessen einzelne Teile oft von der Musik aus gestellt werden, so etwa in der filmischen Lösung eines Songs durch Illustrierung eines Tonbandes und nicht durch Vortrag.

Hanns Eisler

Eisler macht zwischen ernster und heiterer Musik keinen Unterschied, vielmehr sieht er ihn zwischen der "Schund"-, Kaffeehaus- und "seriösen" Konzertmusik.

Diese seriöse, vom Konzert herkommende Musik muß sich für den Film durchsetzen, da das Reservoir der anderen sich bald erschöpfen muß. Das Privileg der Leichtverständlichkeit der flachen Musiken muß ihr entzogen werden.

Eisler will in der Filmmusik weg von den Streichern, weg von der symphonischen Musik, die keine Berechtigung im Film habe; er will nur Bläser in kleinen Besetzungen gebrauchen. Durchgehende Musikuntermalung eines Filmes oder auch nur Untermalung an sich hält Eisler für nicht dem Sinn entsprechend.

Der Musik dürfen nur einige wenige Punkte, Bildfolgen, im Film gehören, in denen sie dann Produktionsbestandteil werden muß. Reine Musikfilme lehnt Eisler völlig ab.


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