Berliner Film-Ateliers. Ein kleines Lexikon

STAAKEN

Filmwerke Staaken, Flughafen

Gegründet: 1923
Ringbahnhalle: 7700 qm:
K 1: 1400 qm: 35 x 40 m, 12 m Bauhöhe
K 2: 1470 qm: 35 x 42 m, 12 m Bauhöhe
K 3: 2030 qm: 35 x 58 m, 12 m Bauhöhe
K 4: 2100 qm: 35 x 60 m, 12 m Bauhöhe
Große Halle: 10000 qm:
G 1: 4000 qm: 40 x 100 m, 42 m Höhe, Rundhorizont
G 2: 6000 qm: 40 x 150 m, 42 m Höhe


Die seit dem 1. Weltkrieg leerstehende, riesige Luftschiffhalle am Flughafen Staaken, westlich von Berlin, wird zunächst von einzelnen Filmproduktionen provisorisch für besonders große Dekorationsbauten benutzt. Als Anfang der 20er Jahre zunehmend mit Kunstlicht produziert wird und man Alternativen zu den Glashäusern sucht, wird - ähnlich wie beim Albatros-Flugzeugwerk am Flughafen Johannisthal (Jofa) - die Halle in Staaken von Hans Neumann zum Großatelier umgebaut. Dazu wird am 31.7.1923 die Filmwerke Staaken AG mit einem Stammkapital von 525 Millionen Mark (Goldwert 2005 RM) gegründet, zum 1.1.1924 lautet die Goldmark-Eröffnungsbilanz auf 100000 RM.

»Der zur Verfügung stehende Aufnahmenutzraum ist achtmal so groß wie die Bodenfläche sämtlicher Berliner Ateliers zusammengenommen. Bis jetzt war die größte Bauhöhe der Berliner Ateliers 11 m: Staaken gestattet ein Bauen bis zu 28 m hinauf. Man muß diese Ausmaße immer in Rücksicht auf die Möglichkeit sehen, Bauten, die bisher nur auf Freilichtplätzen möglich waren, ins Atelier zu verlegen und sie für die Feinheiten der Beleuchtungstechnik restlos zugänglich zu machen. Das dies in der Absicht Neumanns liegt, geht daraus hervor, daß er in der Haupthalle einen riesigen Rundhorizont, der ständig stehen bleibt, errichten läßt, der über eine Seitenlänge von etwa 60 m verfügt und eine lichte Höhe von 26 m hat. Dieser massive Rundhorizont ermöglicht es, mit den modernen Beleuchtungsmethoden jede Lichtnuance herzustellen, die das natürliche Sonnenlicht besitzt.« (LBB, Tagesdienst, Nr. 19b, 17.5.1923).

Die Größe der Halle erlaubt es, ganze Dekorationen in der einen Hälfte fertigzubauen und sie dann mit Laufkränen über den Rundhorizont zu heben und an ihrer Drehposition zu plazieren. Außerdem führt ein Reichsbahngleis direkt bis ins Atelier.

Bevorzugt werden hier Monumentalfilme produziert: Zunächst nutzt es die Neumann-Produktion GmbH - wohl auch zur Demonstration der Möglichkeiten - im September/Oktober 1923 den Rundhorizont für ihren Bibel-Film
I.N.R.I.. Für METROPOLIS läßt Fritz Lang die ganze Halle unter Wasser setzen.

Staaken, geöffnete Atelierhalle. Dreharbeiten 3-GROSCHEN-OPER (1930)
»Auch die Kombination von Bau und Natur, einfach durch das Öffnen der großen Hallentore und Photographieren gegen den freien Horizont, ist außerordentlich angenehm. In verschiedenen Filmen hat man von diesem Mittel schon Gebrauch gemacht und die Täuschung war vollkommen. (...)

Ein nach Art einer mittelalterlichen Bauernschänke eingerichtetes Kasino, das 200 Personen verpflegen kann, und eine sehr gemütliche Künstlerklause, die mit ihren bleiverglasten Butzenscheiben den richtigen Hintergrund für einen kleinen »Anregungsschoppen« geben dürfte und die Künstler darüber hinwegtäuschen soll, daß man beim Film oft lange warten muß und immer angestrengt zu arbeiten hat, -- vervollständigen das Bild.« (Film-Kurier, Nr. 118, 20.5.1925).

Trotz der potentiell großen Fläche wird in Staaken auch an tricktechnischen Möglichkeiten gearbeitet, die kostspieligen Dekorationen zu reduzieren.

»Die riesige Atelierhalle Staaken, in der Karl Grune die Straßenszenen seines neuen Filmes
EIFERSUCHT dreht, wirkte so beängstigend leer, daß man glaubte, einen Tag zu früh und vor Fertigstellung der Bauten gekommen zu sein. Aber gerade dieser Eindruck wird von jetzt an den Filmateliers eigen sein, und Grune hat recht, wenn er meinte, die Zukunft werde das »leere Atelier« bringen. Dieser eigenwillige, aber starke, von künstlerischem Willen besessene Regisseur wird sich wieder einmal als Pionier erweisen. Er gibt seinen Film dem Experiment hin, im Schüfftan-Spiegel die Dekoration erscheinen zu lassen. Heute ist es bereits eine Kleinigkeit, dieser Erfindung die Zukunft zu prophezeihen und mit ihrer Hilfe den Filmarchitekten, den Riesenbau, zu verdrängen. Aber als Grune vor einem Vierteljahr mit dem Schüfftan-Spiegel zu arbeiten begann, gehörte ein Opfermut dazu, wie er in der deutschen Filmindustrie wohl nur noch bei Erich Pommer vorhanden ist.« (Kinematograph, Nr. 950, 3.5.1925).

Nach einer finanziellen Krise - im November 1929 lehnt das Amtgericht den Konkurs gegen die Filmwerke Staaken AG. mangels Masse ab - übernimmt die DLS.-Studio GmbH, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Lichtspiel-Syndikat AG. die Anlage in Staaken. Die Kleine Halle ist nun auch mit Klangfilm-Geräten für den Tonfilm einrichtet.

»Man hat die Aufnahmeapparatur einfach zwischen die Trennungswand der beiden Ateliers eingebaut, so daß die eine Hälfte der Aufnahmekabine und des Tonmischraumes in das Atelier 3, die andere Hälfte in das Atelier 4 hinüberragt. Das gesamte Tonaufnahmegerät befindet sich im unteren Teil der große, mit Cellotex abgedichteten Kabine. Über eine etwas steile Treppe gelangt man in die obere Etage, wo sich der Mischtisch für drei Mikrophone, der Kontroll-Lautsprecher, die elektrische Synchronzeichenanlage sowie die Verständigungstelephone befinden. (...)

Nachdem man den in erster Zeit vielfach in den verschiedenen Formen auftretenden Störungserscheinungen auf den Grund gekommen war und dieselben nunmehr restlos beseitigt hat -- bis auf die Flieger, mit denen im übrigen auch bestimmte Abmachungen getroffen worden sind (ein auf dem Dach der Luftschiffhalle angebrachtes rotes Leuchtfeuer macht fremde Flugzeuge auf die stattfindenden Tonfilmaufnahmen aufmerksam, ein Signaldienst vom Dach der Halle zum Aufnahmeraum, der nahende Flieger meldet, ist eingerichtet) -- sind die Aufnahmen zu dem Gerhard Lamprecht-Film
ZWEIERLEI MORAL, im vollen Gange.« (E. P-e.: Klangfilm in Staaken. In: Film-Atelier, Nr. 21, 1930).

Zu den ersten hier gedrehten Filmen gehört G. W. Pabst umstrittene Verfilmung von Brecht/Weills
DIE 3-GROSCHEN-OPER und Paul Czinners ARIANE mit Elisabeth Bergner und Rudolf Forster.

Im Rahmen der Konzentration der Film-Ateliers Anfang der 30er Jahre stellt auch das DLS-Studio in Staaken seine Arbeit ein. 1934 wird es zum letztenmal im Reichs-Kino-Adressbuch genannt.

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